Es ist Montagabend kurz vor acht. Hektische Betriebsamkeit erfüllt das Haus der Familie Looper. Notenblätter und Notenständer werden zusammengesucht. Opa Hein Looper hört mehrmals das Klicken der Blasinstrumentenkoffer. Ja Montag, das bedeutet: Übungsabend des Musikvereins "Harmonia".
Sohn Garrelt Looper sucht seine Flügelhornnoten und ist ganz aufgeregt, da er das neu einstudierte Stück noch nicht richtig kann.
Früher war alles viel ruhiger, erinnert sich Opa Hein Looper. Da waren Sie froh, wenn sie einige Märsche spielen konnten, wenn auch manchmal ein wenig schief. Aber seit im Jahr 1995 Michael Bockelmann die musikalische Leitung übernommen hat, weht ein anderer Wind, musikalisch gesehen. Mit Begriffen wie „crescendo“ und „decrescendo“ kann Opa Looper heute nicht mehr viel anfangen.
Begonnen hat eigentlich alles im Jahre 1891. Fritz Arends, ein weitgereister Mann zur damaligen Zeit, gründete mit mehreren angesehenen Persönlichkeiten der Insel den Verein. Darunter waren der Inselpastor, der Schulleiter, Kolonialwarenhändler, Seehundsjäger, Bäcker-, Tischler- und Malermeister. Man konnte 10 aktive und 6 passive Spieler zählen. Da auch zur damaligen Zeit das Geld knapp war, suchte man sich wohlhabende Badegäste als Geldgeber, die sodann als Ehrenmitglieder aufgenommen wurden. Darunter befand sich auch der Bremerhavener Schiffsreeder Peter Rickmers, Familie ten Doornkaat aus Norden oder Familie Giradet aus Essen, um nur einige zu nennen. Die erste Instrumentenrechnung betrug 251,50 Goldmark. Heute ist man mit über 10.000, -- DM dabei, wie zum Beispiel bei dem 1998 angeschafften Susaphon.
Auch in den 20iger und 30iger Jahren war die Musikkapelle beliebt bei Juistern und Gästen, bei Feuerwehrveranstaltungen, beim Militärverein, beim Stahlhelm, beim Aufstellen des Maibaumes und bei Einweihungsfesten des aufstrebenden Bades Juist. Nach einer jahrzehntelangen Pause, existiert nun der Musikverein Harmonia wieder seit 1964. Von 1972 bis 1995 hatte Dieter Rother die musikalische Leitung inne.
Heute zählt man 24 aktive Spieler, 8 passive Mitglieder und 2 Ehrenmitglieder. Neben ca. 65 Zusammenkünften im Jahr wurden in den letzten Jahren auch einige Fahrten unternommen. Der größte Ausflug war wohl 1991 nach Florida, von dem Opa Looper heute noch schwärmt.
1998 ging es erstmalig nach Bad Zwischenahn zum Übungswochenende, sowie zu mehreren Auftritten während der Lippstädter Herbstwoche. 1999 fand zum dritten Mal ein Inseltreffen der Vereine auf Norderney statt. Auch dort durfte der Musikverein nicht fehlen. Viele Insulaner der anderen ostfriesischen Inseln lauschten neidvoll dem weitreichenden Repertoire, welches sich von Märschen Friedrich Wilhelm des Großen bis hin zum Medley von Conny Francis Melodien erstreckt. Auch heute wird der Erhalt von Brauchtum beim Musikverein großgeschrieben. Eine musikalische Beteiligung wie zum Beispiel beim Osterfeuer und beim Aufstellen des Maibaums ist für die Musiker selbstverständlich. Neben den vielen Konzerten wie zum Beispiel den Platzkonzerten mit Grillfesten im schönen Loog, lassen es sich die Musiker nicht nehmen, den älteren Insulanern ab dem 80. Geburtstag alle fünf Jahre ein Geburtstagsständchen zu bringen.
Aber auch der Spaß darf in diesem Verein nicht fehlen. So wie damals 1891 ist das Domizil des heutigen Musikvereins das "Hotel Bracht". Dort trifft man sich nach jedem Übungsabend im extra eingerichteten Musikzimmer oder in der Jagdhütte zu einem gemütlichen Glas Bier.
Und wenn dann der Trinkspruch "Ein dreifach: Gut Ton, Gut Ton, Gut Ton" erklingt, ist aller Ärger über ein verpatztes decrescendo wie weggeblasen.
Strandlooper 2000, Angelika Lang10.01.2017
Erstmalig wird auf der am Freitag angesetzten Jahresmitgliederversammlung nicht mehr der Musikverein „Harmonia“ dabei sein, und dennoch sitzen Musiker da, die in den Pausen aufspielen. Nur tragen sie nicht mehr die blau-weißen Harmonia-Hemden, sondern die Uniform der niedersächsischen Feuerwehren und sie nennen sich seit einem halben Jahr „Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Juist“.
Seit 1891 gab es ihn auf Juist, den Musikverein „Harmonia“. Doch seit dem vergangenen Jahr ist er nach 125 Jahren Inselgeschichte. Auf der Jahreshauptversammlung im vergangenen Januar wurde bereits beschlossen, den Verein zum 30. Juni 2016 aufzulösen. Dennoch werden Insulaner und Gäste auch in Zukunft nicht auf die Klänge der beliebten Formation verzichten müssen, denn unter dem Dach der Feuerwehr bestand die Möglichkeit, die Musikgruppe zu erhalten.
Gemeindebrandmeister Thomas Breeden spielte dabei eine wichtige Rolle, bläst er zugleich auch die Tuba im Musikverein und kennt daher die Hintergründe dieser Maßnahme von beiden Seiten. Infolge Überalterung, Wegzug von der Insel und dem allgemein nachlassenden Interesse an ehrenamtlichen Tätigkeiten bestand Harmonia zum Schluss nur noch aus einem Kern von neuen Stammmusikern. Verstärkt wird man bei Auftritten zwar regelmäßig von Mitgliedern, die jetzt auf dem Festland in Ausbildung sind oder zur Schule gehen oder Musikern, die regelmäßig Urlaub auf Juist machen.
„Bei der Vergabe von Vorstandsposten standen aber nur diese neun Leute zur Verfügung“, so Breeden. Vorsitzender, Stellvertreter, Kassenwart, Schriftführer, zwei Kassenprüfer, musikalischer Leiter und Notenwart galt es satzungsgemäß zu besetzen. „Wenn man durchzählt, acht Ämter für neun Leute, das passte nicht mehr“, so schildert Breeden das Problem. Zumal der letzte Vorsitzende Christian Arneke, der dieses Amt im Januar 2008 von dem zwischenzeitlich verstorbenen Bernhard Ebeling übernommen hatte, diese sehr zeitaufwändige Aufgabe gerne aufgeben wollte, und man so nicht mehr ausreichend Leute hatte, um diesen und andere Posten zu besetzen.
Da der Wille, gemeinsam zu musizieren und aufzutreten, unverändert stark vorhanden war, wurde nach einer Lösung gesucht. Man blickte dazu auf die Nachbarinsel Borkum, wo die Blasmusik durch den Musikzug der Borkumer Feuerwehr dargeboten wird. Harmonia, die Juister und die Borkumer Feuerwehr unterhalten schon seit Jahrzehnten freundschaftliche Beziehungen und so wurde in unzähligen Telefongesprächen und Emails dort um Rat gefragt, wie es dort liefe. Und schließlich stand auf Juist fest, dass Harmonia in die Feuerwehr eingegliedert werden kann.
Die Vorteile lagen dabei auf der Hand, denn nun benötigt man nur noch einen Stabführer, wie der musikalische Leiter/Dirigent genannt wird und einen Musikzugführer. Harmonia-Dirigent Michael Bockelmann bliebt damit in seinem Amt, die bisherige Vize-Vorsitzende vom Musikverein, Martina Bone, wurde zur Musikzugführerin ernannt. Sie nimmt seitdem an Kommando-Sitzungen der Feuerwehr teil und vertritt dort die Belange des Musikzuges.
Auch der damalige Bürgermeister Dietmar Patron sowie Rat und Verwaltung zogen mit. Immerhin kamen nun zusätzliche Kosten auf die Gemeinde zu, muss sie doch die neuen Feuerwehrmusiker einkleiden oder Kosten für Noten, die Versicherung der Instrumente usw. übernehmen. Auf der anderen Seite stellten die Auftritte des Musikvereines einen wichtigen und unverzichtbaren Bestandteil im Veranstaltungsprogramm der Kurverwaltung dar, die man gerne auch in der Zukunft behalten wollte.
Und dann ging es Schlag auf Schlag, die entsprechenden Beschlüsse wurde gefasst, die Feuerwehrsatzung wurde von der Verwaltung überarbeitet und dahingehend erweitert, dass die Wehr neben aktiver Wehr, Jugend- und Altersabteilung auch aus einem Musikzug besteht. Die Satzung wurde vom Rat und vom Feuerwehrkommando beschlossen, ebenso stimmte das Kommando den Eintrittsanträgen der bisherigen Musikvereinsmitglieder zu. Die Zeugwarte Thomas Fisser und Dagmar Harders sorgten dann für die Einkleidung der Neumitglieder, denn die Feuerwehruniform ist bei einem Feuerwehr-Musikzug nun mal im Niedersächsischen Brandschutzgesetz so festgelegt. Alle Musiker erhielten den Dienstgrad „Feuerwehrmann bzw. –frau“, sie tragen zusätzlich auf dem Dienstgradabzeichen auf den Schultern eine silberfarbige Lyra, die sie als Feuerwehrmusiker/in erkennbar macht. Die ehemaligen Harmonia-Mitglieder, die zugleich in der Feuerwehr aktiv sind oder waren, halten den jeweiligen Dienstgrad, den sie innerhalb der Wehr erreicht haben.
Seit dem 1. Juli 2016 trat man dann unter dem neuen Namen auf, allerdings die erste Zeit noch in der Harmonia-Tracht, weil noch viele Feuerwehr-Kleidungsstücke fehlten. Beim „Tag der Bürger-Stiftung“ im vergangenen September trat man erstmalig in der offiziellen Uniform eines Feuerwehr-Musikzuges auf. Jetzt freuen sich die Musiker schon auf den März, wenn es für ein Wochenende zum Inseltreffen „Insulaner unner sück“ auf Spiekeroog geht, wo dann erstmalig die beiden Musikzüge von Juist und Borkum gemeinsam auftreten werden. Schon seit vielen Jahren haben Harmonia und der Borkumer Musikzug gemeinsame Absprachen über zahlreiche Stücke, die man getrennt eingeübt und dann zusammen in großer Besetzung spielen kann.
JNN-ARCHIV, TEXT: STEFAN ERDMANN